von Volker Gallé und Iris Muth
Das Spectaculum ist ein gutes Beispiel für die Netzwerkarbeit der Wormser Kulturpolitik im 21. Jahrhundert. Bürgerbeteiligung in der Kultur heißt, dass sich Haupt- und Ehrenamt, Stadtverwaltung und Bürger in konkreten Projekten zusammenfinden, die Arbeit gemeinsam planen und auch gemeinsam durchführen. Seitens der Stadt werden Veranstaltungserfahrungen, viel Zeit für die Vorbereitung in der Organisation, technische Unterstützung, finanzielle Zuschüsse und die Moderation des Projekts eingebracht, vonseiten der Bürger Ideen und Kontakte in die Mittelalterszene, viel Zeit für die Vorbereitung und noch mehr Zeit für die Durchführung am Veranstaltungswochenende, die Übernahme von Funktionen wie Marktmeister, Trossmeister etc. sowie Projekte und Stände auf dem Markt.
Das Netzwerk wächst immer weiter, nicht nur durch und über die Veranstaltung, sondern auch über Fortbildungen (Sprach-, Näh-, Schuhworkshops etc.). Helfer und Gruppen, die sich auf Zeit anschließen – wie in Pfeddersheim 2004 – sind willkommen und werden „angelernt“. Getragen wird alles von der Begeisterung für Geschichte und Spiel. Während im Lager eine möglichst hohe historische Genauigkeit im Vordergrund steht, ist der Markt ein Tummelplatz für die Familien und alle anderen, die sich an diesem Wochenende einmal „mittelalterlich ausprobieren“ wollen. Aber auch bei den Händlern, die ihre Waren verkaufen, wird darauf geachtet, dass Angebot und Auftritt Qualität haben und den Geist der Mittelalterinszenierung atmen. Auch zu Händlern, Musik- und Lagergruppen bestehen im regionalen Umkreis und darüber hinaus gute Kontakte, die immer wieder die Umsetzung neuer Ideen möglich machen (Stauferhochzeit 2009 mit Festzug, Hoffest 2011 mit Anklängen an den Maximiliansreichstag von 1495).
In jedem Jahr gibt es nach der Veranstaltung eine „Manöverkritik“, bei der überlegt wird, wie man angefallene Probleme lösen kann. Der schöne Ort im Wäldchen soll improvisiert bleiben, um nicht zum Vergnügungspark zu mutieren, sondern Natur und Landschaft im übrigen Jahr den Raum zu überlassen. Andererseits wird immer wieder daran gearbeitet, die Infrastruktur zu verbessern und vor allem die Besucher vor und während der Veranstaltung zu informieren und zu begleiten. Ein asphaltierter Parkplatz passt nicht ins Landschaftsschutzgebiet. Deswegen appellieren die Veranstalter in jedem Jahr an die Besucher, möglichst wie im Mittelalter zu Fuß zu kommen und das Auto in der Stadt oder dem großen Shuttle-Parkplatz auf dem Festplatz zu parken oder das Rad bzw. den ÖPNV zu nutzen — die Buslinien verkehren ganz in der Nähe des Geländes. Das ist nur ein Beispiel für die vielen Fragen, die nach jeder Veranstaltung neu beantwortet werden müssen. Man könnte also sagen, dass auch die Besucher Teil des Netzwerks sind und sich daher auf die Langsamkeit des mittelalterlichen Lebens einstellen und mit den Veranstaltern konstruktiv im Gespräch bleiben sollten.
Das Spectaculum ist nämlich eine Wormser Bürgerinitiative und keine Serviceeinrichtung, bei der man möglichst hohe Dienstleistung für möglichst wenig Geld einfordern kann. Nur durch die Beteiligung all derer, die das Fest ausmachen, kann es seinen lebendigen Geist erhalten. Das zeigt seine Geschichte Jahr für Jahr.